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70 KULTUR
BEWEGTE GESCHICHTE
VOM SEERÄUBERNEST UND EINER SEE- FESTUNG ZUM BELIEBTEN URLAUBSZIEL
„So viel Geschichte auf engstem Raum  ndet man sonst nur im Brockhaus“, schrieb einst ein Chronist über die Hochseeinsel Helgoland. Sie ist eigentlich viel zu bunt, bewegt und dramatisch für einen nur rund zwei Quadrat- kilometer großen Buntsandsteinfelsen und seine kleine Nachbarinsel rund 60 Kilometer draußen in der Nordsee.
Helgoland war Seefestung, Seeräubernest, bedeutender Stützpunkt der Seelotsen und zu Beginn des 19. Jahrhun- derts sogar größtes Warenumschlagszentrum Europas. Die Insel war aber auch ein Hotspot für Literaten und Maler sowie mondänes Seebad, in dem sich die Prominenz Mitteleuropas vergnügte.
Bereits in der mittleren Steinzeit soll die Insel besiedelt gewesen sein. Aus der Zeit um 325 v. Chr. stammt die erste schriftliche Erwähnung. Ab 1400 gehörte es zu ver- schiedenen Grafschaften und Herzogtümern in Schles- wig-Holstein.
Ab 1714 weht der Danebrog über dem roten Felsen. Die Insulaner leben überwiegend vom Fischfang oder arbeiten als Lotsen. 1807  nden die Briten Gefallen an der strate- gisch günstigen Lage der Insel und nehmen sie ein. Sie umgehen damit die von Napoleon verhängte Kontinen- talsperre gegen britische Waren. Bis zur Aufhebung der Sperre sieben Jahre später  oriert der Warenschmuggel im großen Stil und macht viele Helgoländer reich.
Die „Karriere“ der Insel als Seebad beginnt 1826. Der Helgoländer Jacob Andresen Siemens setzt diese viel
Zerstörtes Helgoland, 1945
belächelte Idee um. Schon bald kommen die ersten Dampfschiffe und bringen Badegäste vom Festland. 1890 wird Helgoland erstmalig deutsch. Die Briten übergeben es an das Deutsche Reich, das im Gegenzug Gebietsan- sprüche und Handelsrechte in Ost- und Südwestafrika ab- gibt. Helgoland-Sansibar-Vertrag heißt die Vereinbarung. Gegen Sansibar wurde die Insel aber nie getauscht!
Im Ersten Weltkrieg wird Helgoland Seefestung. 3.500 Helgoländer müssen im August 1914 ihre Heimat verlas- sen. Vier Jahre später können sie zurückkehren und bald blüht der Tourismus wieder auf.
Ab 1935 bauen die Nationalsozialisten Helgoland zu einem großen Stützpunkt für die Kriegs otte aus, 1939 fallen
die ersten britischen Bomben auf die Insel, 1945 zerstört ein Bombenhagel von fast 1.000 britischen Bombern das Inseldorf. Danach müssen die Insulaner ihre inzwischen unbewohnbare Insel verlassen. Zwei Jahre später ver- suchen die Briten mit dem „Big Bang“, der bisher größten nichtnuklearen Sprengung, die Militäranlagen der Insel
zu zerstören. Der rote Felsen wird stark beschädigt, bleibt jedoch standhaft.
1952 weht wieder die schwarz-rot-goldene Flagge über der Insel. Die Helgoländer kehren zurück und helfen beim Wiederaufbau ihrer völlig zerstörten Heimat. In den folgenden Jahren kehrt langsam der Alltag wieder ein. Helgoland pro tiert vom zoll- und mehrwertsteuer- freien Einkauf, und der Tourismus kommt wieder in Schwung.


































































































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